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Simulation ermöglicht flexiblen Energieeinsatz in der Produktion

Herausforderung

Das Projekt zielt darauf ab, ein Simulationswerkzeug zur Bewertung von Energieflexibilisierungsmaßnahmen zu entwickeln. Am Beispiel der INVENT GmbH werden sowohl Wechselwirkungen innerhalb des Produktionssystems als auch mit aktueller und zukünftiger Ladeinfrastruktur berücksichtigt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf a) der Untersuchung und Anpassung des Energiebedarfs der INVENT GmbH an die Erzeugung von erneuerbaren Energien durch unternehmenseigene PV-Anlagen, und b) der Nutzung von batterieelektrischen Speicher als Puffer in Zeiten geringer Verfügbarkeit erneuerbarer Energien sowie die Verlagerung von Produktionsprozessen auf Zeiten mit höherer Verfügbarkeit. Diese Maßnahmen können aus Sicht des Unternehmens zu Herausforderungen führen, da sie zu einem mehrdimensionalen Zielkonflikt führen. Einerseits können beispielsweise batterieelektrische Fahrzeuge als temporärer Batteriespeicher für das Abmildern von Leistungsspitzen nutzbar gemacht werden. Anderseits können die hohen Ladeleistungen der E-Fahrzeuge aufgrund der hohen Leistungspreise wiederum zu hohen Energiekosten führen. Um diesen mehrdimensionalen Zielkonflikt von Unternehmen zu bewältigen, bedarf es eines geeigneten Werkzeugs zur Entscheidungsunterstützung.

 

Projektbeschreibung

Die Reduzierung von Energiekosten und die steigende Sensibilität von Kunden mit Blick für produktionsbedingte Treibhausgasemissionen stellen produzierende Unternehmen vor zunehmende Herausforderungen. Um diesen zu begegnen, ist die Nutzung erneuerbarer Energien, wie z. B. Photovoltaik, wichtig, um produktionsbedingte Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Auch wenn bereits erneuerbare Energien genutzt werden, sind die Verbräuche oft nicht optimal auf deren Verfügbarkeit abgestimmt. Dies führt dazu, dass Unternehmen zeitweise teuren Strom vom Netz beziehen müssen, während selbst generierter günstiger Strom aus z. B. Photovoltaik eingespeist wird. Im Rahmen eines Projekts zur Energieflexibilisierung hat das Mittelstand-Digital Zentrum Hannover die INVENT GmbH, einem führenden Hersteller für innovative Faserverbundtechnologien, dabei unterstützt eine Simulation zu entwickeln und durchzuführen, um Vorteile und Herausforderungen von Energieflexibilisierungsmaßnahmen zu analysieren. Dabei wurden sowohl Wechselwirkungen innerhalb des Produktionssystems als auch mit aktueller und zukünftiger Ladeinfrastruktur berücksichtigt.

Als Leichtbau-Spezialist für innovative Faserverbundtechnologien entwickelt und produziert die INVENT GmbH hochpräzise Strukturkomponenten mit dem Schwerpunkt auf den Geschäftsbereichen Luft- und Raumfahrt.

Ausführlicher Projektbericht

Das Krisenjahr 2022 ist für viele Unternehmen aufgrund der extremen Energiepreise in Erinnerung geblieben. Der durchschnittliche Großhandelspreis für Strom in Deutschland stieg um mehr als 200 Prozent auf 234,49 Euro/MWh im Jahr 2022, was deutlich über dem bereits hohen Preis des Vorjahres von 96,85 Euro/MWh lag. Diese Preisentwicklung wird durch das aktuelle Strommarktdesign beeinflusst, das auf dem Prinzip der Grenzkostenbepreisung basiert, bekannt als das Merit-Order-System. Dabei bestimmt der Preis der teuersten Kilowattstunde den Preis für die gesamte zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbare Strommenge. Im Krisenjahr griff die Bundesregierung mit einer Vielzahl von Maßnahmen ein, um u. a. Unternehmen vor den steigenden Energiepreisen zu schützen. Ziel war es, den Strompreis auch während des Transformationsprozesses zu einem klimaneutralen Hochindustrieland bezahlbar zu halten und gesellschaftliche Verwerfungen zu vermeiden. [1]

In Deutschland nimmt innerhalb des Transformationsprozesses der Beitrag von Kernenergie und Steinkohle zur Stromerzeugung stetig ab, während der Anteil der erneuerbaren Energiequellen kontinuierlich wächst. Die Energiegewinnung erfolgt dabei nicht nur aus regenerativen Quellen, wie Wasser, Wind, Biomasse und Erdwärme, sondern auch aus Sonnenenergie. Die Bedeutung der Photovoltaik hat über die Jahre hinweg stetig zugenommen, wobei der Anteil der Sonne als regenerative Energiequelle seit 2003 kontinuierlich gestiegen ist. [2] Bis zum Ende des Jahres 2022 waren in Deutschland etwa 150 Gigawatt (GW) Kapazität zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien installiert. Davon entfielen rund 67 GW auf Photovoltaikanlagen, was etwa 45 Prozent der gesamten erneuerbaren Energiekapazität ausmacht. [3]

Durch den zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in Deutschland, mit einem angestrebten Ziel von 80 Prozent bis 2050, und besonders durch den Ausbau von Wind- und Solarenergie, wird das Stromnetz immer volatiler. Für Unternehmen bedeutet das, dass die Strompreise in Zukunft voraussichtlich noch stärker schwanken werden als heute. Energieflexible Fabriken ermöglichen es, auf diese Preisschwankungen zu reagieren und sie wirtschaftlich zu nutzen. [4]

Um dieser Problem- und Zielstellung zu begegnen, wurde ein mehrstufiger Lösungsweg verfolgt, welcher darauf abzielt ein Simulationsmodell zur Unterstützung von Unternehmen im Hinblick auf einen energieflexiblen Fabrikbetrieb zu entwickeln. Dieser Lösungsweg wurde exemplarisch verfolgt, ist aber prinzipiell auf weitere Unternehmen übertragbar.

[1]  https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/strompreise-bestandteile.html

[2]  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/250915/umfrage/anteil-der-photovoltaik-an-der-stromerzeugung-in-deutschland/

[3]  https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/photovoltaik-stategie-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=6

[4] VDI 5207 Blatt 1

 
1. Definition von Modellanforderungen & Datenscreening

In einem ersten Schritt wurden die Modellanforderungen unter den Projektpartnern definiert und die vorhandenen Daten für das Modell, darunter Energie- & Maschinendaten, gesichtet sowie die Systemkonfigurationen aufgebaut. Auf Basis der Systemkonfiguration wurden vorab mögliche Energieflexibilisierungsansätze (z. B. Verschieben von Produktionsstarts und Nutzung von stationären Energiespeichern) diskutiert sowie priorisiert, die anschließend in der geplanten Simulation genauer geprüft werden sollten (siehe Abbildung 1). Datenquelle war primär eine Energiemonitoring-Plattform mit den Energiebedarfsdaten des Unternehmens und den Erzeugungsdaten der Photovoltaikanlagen.

Abbildung 1: Mögliche Energieflexibilisierungsmaßnahmen

2. Datenanalyse & Erstellung eines Energieportfolios

Die Grundlage des Projekts bildete die Datenanalyse zur Erstellung eines Modells in der Data-Mining-Software KNIME und die Erstellung eines Energie-Portfolios (vgl. Abbildung 2) zur Identifizierung der relevanten Verbraucher. Im Energie-Portfolio werden hierzu Betriebsstunden und Anschlussleistungen basierend auf den vorhandenen Unternehmensdaten gegenübergestellt. Dadurch können Verbraucher priorisiert werden, die in einem nächsten Schritt für eine nähere Betrachtung von besonderer Bedeutung sind.

3. Durchführung einer Messkampagne

Einige Datenlücken wurden mithilfe von Messungen der Lastprofile und anschließender Messdatenaufbereitung geschlossen. Basierend auf der Priorisierung der Verbraucher im Energieportfolio konzentrierte sich die Messkampagne bei der Firma INVENT auf zwei Autoklaven und zwei Kompressoren. Hierbei wurden die Lastprofile der Autoklaven und Druckluftkompressoren permanent für ca. eine Woche über Messinstrumente erfasst. Anschließend wurden die Daten der Strommessungen mit denen aus der Energiemonitoring-Plattform in KNIME zusammengeführt und für den nächsten Schritt aufbereitet (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Zusammenführung der Verbrauchsdaten in KNIME®

Ein großer Vorteil der sich durch die Messkampagne ergab war, dass unabhängig von dem Thema der Energieflexibilisierung ungünstige Konstellationen von Leistungsabnahmen in der Produktion aufgedeckt wurden. In Abbildung 4 ist beispielsweise zu sehen, wie ein Kompressor auch außerhalb der Produktionszeiten permanent Druckluft bereitstellt, was einen potentiell unnötigen Strombedarf darstellt. Zudem ist deutlich zu sehen, dass um ca. 6:15 Uhr drei Leistungsspitzen aufeinandertreffen und sich infolgedessen kumulieren. Eine zeitliche Verteilung der Leistungsspitzen wäre empfehlenswert, um möglichst geringe Lastspitzen zu erzeugen und somit Stromkosten zu reduzieren.

Abbildung 4: Lastprofile von verschiedenen Verbrauchern: Kompressor 1 (blau), Kompressor 2 (orange) und Autoklav 1 (grau)

 

4. Simulationsdurchführung

Im vierten Schritt wurde eine agentenbasierte Simulation mit AnyLogic erstellt, um das Gesamtsystemverhalten zu untersuchen (siehe Abbildung 5). Das Simulationsmodell ermöglicht für ein Unternehmen (Gesamtsystem) die Betrachtung mehrerer Standorte. Darüber hinaus enthält das Modell generische Konfigurationen von Stromverbrauchern, einer Dienstwagenflotte (als temporäre Batteriespeicher) und stationären Batterien. Die Modelleingaben, einschließlich der Informationen über die beiden Standorte mit ihren unterschiedlichen Verbrauchern, Fahrzeugen und Batteriespeichern, wurden als Excel und CSV-Dateien bereitgestellt. Dabei wurden Daten wie Produktionszeiten, Lastprofile der Maschinen sowie Batteriekapazitäten und Ankunftszeiten der Fahrzeuge berücksichtigt. Außerdem wurden definierte Zukunftsszenarien, wie variable Kapazitäten der Batteriespeicher, simulativ berücksichtigt.

Abbildung 5: Einblick in den Aufbau des Simulationsmodells mit seinen unterschiedlichen Systemebenen (Gesamtsystem, Standort und Verbraucher)

5. Auswertung

Die Auswertung der Daten, die aus der Simulation verschiedener Szenarien generiert wurden, erfolgte ebenfalls mithilfe der Datenanalysesoftware KNIME. Zahlreiche Einstellparameter, wie Anzahl von Ladesäulen, Ankunfts- und Abfahrtzeiten der batterieelektrischen Fahrzeuge, Zusammensetzung der Dienstwagenflotte (z. B. Speicherkapazität) und verschiedene Produktionsprogramme können variiert werden.

Abbildung 6 zeigt exemplarische Simulationsergebnisse eines Szenarios, die durch eine Variation der Speicherkapazitäten eines stationären Batteriespeichers erzielt wurden. Das in den Simulationen verfolgte Ziel war es, eine bestimmte Lastspitze einzuhalten. Die Abbildung zeigt, dass zur Reduktion der Lastspitze von ca. 370 kW (Status quo) auf 300 kW ein stationärer Batteriespeicher mit ca. 50 kWh Speicherkapazität erforderlich wäre. Für eine gewünschte Lastspitze von 200 kW müsste ein Batteriespeicher mit mindestens 125 kWh Speicherkapazität implementiert werden.

Abbildung 6 Simulationsergebnisse des Szenarios „Implementierung eines stationären Batteriespeichers“

Auf Basis dieser Daten wurde eine Wirtschaftlichkeitsabschätzung von Energieflexibilitätsmaßnahmen durchgeführt. Anschließend wurden Energieflexibilitätsansätze abgeleitet und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Energienutzung aufzeigt. Des Weiteren konnten bei der INVENT GmbH im Hintergrund liegende, bislang nicht bemerkte Energieeffizienzpotenziale aufgedeckt werden (vgl. Absatz 3).

Nutzen für den Mittelstand​

Durch den Transformationsprozesses zu einem klimaneutralen Hochindustrieland wird das Stromnetz zunehmend volatiler. Zudem ergeben sich für Unternehmen insbesondere durch den Ausbau eigener PV-Anlagen große Potenziale zur Nutzung erneuerbarer Energien. Das im Rahmen des Projekts entwickelte generische Simulationsmodell, welches Vorteile und Herausforderungen von Energieflexibilisierungsmaßnahmen aufgezeigt, kann grundsätzlich auch auf andere Unternehmen übertragen werden und soll Unternehmen im Rahmen von Firmengesprächen, Workshops und Webinaren einen Einblick in das hoch aktuelle Themenfeld ermöglichen.

„Für mich ist es jedes Mal spannend, theoretische Ansätze und Modelle in die Praxis zu übertragen.
Besonders bereichernd ist es, diese Arbeit mit den Restriktionen des laufenden Betriebs in Einklang zu bringen.”

Benjamin Uhlig,
Projektmitarbeiter an der Technischen Universität Braunschweig

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