KI-gestützte Qualitätskontrolle für Bremsbeläge
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Kurz und kompakt – der Projektsteckbrief
Organische Bremsbeläge bestehen aus einem Verbundwerkstoff, der eine Vielzahl unterschiedlicher Rohstoffe enthalten kann. Diese Werkstoffe werden von der Firma Bremskerl anwendungsspezifisch entwickelt und sind in ihrem Erscheinungsbild so vielseitig wie ihre Einsatzgebiete in den Bremssystemen. Aufgrund dessen bedarf es auch einer Qualitätskontrolle durch geschulte Werker, die werkstoff- und bauteilindividuell das Erscheinungsbild der Reibfläche beurteilen. Um die Sicherheit des Bremssystems zu gewährleisten, erfolgt eine 100% Qualitätskontrolle jedes einzelnen Produkts. Dieser manuelle Prüfaufwand ist jedoch zeitintensiv und stark vom Erfahrungswissen der Mitarbeitenden abhängig.
Ziel des KI-Anwendungsprojekts ist es, die Machbarkeit einer KI-gestützten kamerabasierten Qualitätskontrolle zur automatisierten Erfassung und Auswertung von optischen Qualitätsmerkmalen bei Bremsbelägen zu demonstrieren.. Hierdurch soll perspektivisch mit Hilfe einer KI-gestützten Vorabprüfung der intensive Prüfaufwand durch hochqualifiziertes Personal reduziert und gleichzeitig die hohe Produktqualität bei gleichbleibend hoher Sicherheit gewährleistet werden.
Im Rahmen des Projekts erstellt das Mittelstand-Digital Zentrum Hannover Datensätze, um die Leistungsfähigkeit verschiedener KI-Typen im maschinellen Sehen zu untersuchen. Diese beinhalten Klassifizierung, Objekterkennung und Objektsegmentierung. Die Datensätze werden in Trainings-, Validierungs- und Testdaten unterteilt, um eine systematische Modellentwicklung und -bewertung zu ermöglichen.
Während des Trainings dienen die Validierungsdaten der Überwachung des Modellfortschritts. Die abschließende Qualität wird mit Testdaten bewertet, um die Erkennungsgüte objektiv zu beurteilen und etwaige Schwächen aufzuzeigen. Diese Erkenntnisse sind entscheidend, um fundierte Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung der KI-Systeme zu liefern.
Zusätzlich werden die Modelle an Bauteilen getestet, die nicht im ursprünglichen Datensatz enthalten sind. Durch diese erweiterte Analyse wird die Adaptierbarkeit und Robustheit der Modelle in neuen Szenarien geprüft.

„Die Einführung von KI in unsere Qualitätskontrolle eröffnet uns neue Möglichkeiten, Prozesse effizienter zu gestalten. Wir erhoffen uns nicht nur eine Reduzierung des Prüfaufwands, sondern auch eine gleichbleibend hohe Produktqualität, um die maximale Sicherheit für die Anwendungen unserer Kunden zu gewährleisten.“
Christian Wege,
Abteilungsleiter Technologie und Entwicklung
„Unser Ziel sind keine kurzfristigen Effekte, sondern nachhaltige Verbesserungen.”
Meik Philipsen ist seit 2022 kaufmännischer Geschäftsführer der Bremskerl-Reibbelagwerke Emmerling GmbH & Co. KG und verantwortet unter anderem das Qualitätsmanagement. Bremskerl mit Sitz in Estorf entwickelt und fertigt seit über 90 Jahren spezialisierte Reibmaterialien für eine Vielzahl an Industrieanwendungen.
Auf dem Foto sieht man die Geschäftsführung: Meik Philipsen links und Stefan Purbs rechts.

Herr Philipsen, im Rahmen Ihres gemeinsamen Projekts mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Hannover wurde untersucht, wie Künstliche Intelligenz die Qualitätskontrolle bei Bremsbelägen unterstützen kann. Wie kam es zu der Entscheidung, dieses Thema anzugehen?
Die Qualitätskontrolle spielt in unserem Unternehmen eine zentrale Rolle. Unsere Brems- und Reibbeläge müssen höchsten Sicherheitsanforderungen genügen – insbesondere in Anwendungen wie der Antriebstechnik, dem Maschinen- und Anlagenbau oder der Robotik. Wir haben erkannt, dass sich durch KI-gestützte Bildverarbeitung in diesem Bereich neue Möglichkeiten ergeben. Die Idee entstand aus unserem strategischen Ziel heraus, die Prozesse kontinuierlich zu verbessern – technologisch wie organisatorisch. Das Projekt war eine hervorragende Gelegenheit, dieses Zukunftsthema strukturiert anzugehen.
Wie bewerten Sie die Ergebnisse der durchgeführten Machbarkeitsstudie?
Die Ergebnisse waren durchweg positiv. Die Studie hat uns gezeigt, dass KI in der Lage ist, unsere Mitarbeitenden bei der visuellen Qualitätsprüfung objektiv, wiederholbar und effizient zu unterstützen. Insbesondere bei der Erkennung feiner Oberflächenfehler liegt ein großes Potenzial. Gleichzeitig wurde deutlich, dass KI-Systeme sinnvoll ergänzen, aber den geschulten Blick unserer Mitarbeitenden nicht ersetzen – insbesondere bei repetitiven oder sehr detailorientierten Aufgaben.
Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dem Projekt mit? Gibt es bereits konkrete Überlegungen, KI-basierte Lösungen zukünftig in Ihre Qualitätskontrolle zu integrieren?
Wir haben ein gutes Verständnis dafür gewonnen, wie sich ein KI-System in bestehende Abläufe integrieren lässt. Besonders wichtig war für uns die Erkenntnis, dass die Qualität der Daten – also z. B. die Bilder der Prüfteile – entscheidend für den Erfolg eines KI-Systems ist. Auf Basis der Studie diskutieren wir derzeit intern, in welchem Umfang wir eine Pilotanwendung entwickeln und testen können. Der Wille zur Umsetzung ist definitiv da.
Welche Herausforderungen sind Ihnen bei der Umsetzung des Projekts begegnet – fachlich, technisch oder organisatorisch?
Technologie allein reicht nicht aus – entscheidend ist, dass sie im Unternehmen ankommt und mitgetragen wird. Unser Ziel war es von Anfang an, nicht nur ein funktionierendes KI-Modell zu entwickeln, sondern ein System, das unsere Mitarbeitenden mitnimmt und sich sinnvoll in ihre Arbeit integrieren lässt. Fachlich ist es besonders anspruchsvoll, die Vielzahl unserer unterschiedlichen Produkte korrekt zu erfassen und zu kategorisieren. Dabei zeigt sich auch: Die Qualität der KI hängt maßgeblich vom Input ab – und der kommt von unseren erfahrenen Mitarbeitenden. Ihr Know-how ist nicht nur für die Entwicklung entscheidend, sondern bleibt auch in Zukunft zentral, wenn es darum geht, KI-Systeme richtig einzusetzen und weiterzuentwickeln.
Planen Sie weitere Schritte in Richtung KI-Einsatz in Ihrem Unternehmen oder ergeben sich daraus neue Digitalisierungsansätze?
Ja, definitiv. Das Projekt war für uns ein wichtiger Impulsgeber. Wir haben heute ein deutlich klareres Verständnis davon, wo Künstliche Intelligenz in einem mittelständischen Produktionsunternehmen wie Bremskerl sinnvoll und wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Derzeit evaluieren wir erste konkrete Anwendungsfälle in internen Tests und prüfen, wie sich die Technologie systematisch und praxisnah in unsere Abläufe integrieren lässt. Unser Ziel sind keine kurzfristigen Effekte, sondern nachhaltige Verbesserungen entlang der gesamten Prozesskette. Neben der Qualitätskontrolle sehen wir auch Potenziale in der Prozessüberwachung, um unsere Produktqualität weiter zu steigern und unseren Kunden langfristig einen noch höheren Mehrwert zu bieten. Für uns ist klar: KI soll kein Selbstzweck sein – sie muss uns helfen, besser zu werden in dem, was wir ohnehin mit Leidenschaft tun.
Vielen Dank, Herr Philipsen, für das Gespräch und die interessanten Einblicke in den Einsatz von KI in der Qualitätskontrolle bei Bremskerl.

Die Firma Bremskerl zählt zu den führenden Anbietern im Bereich der Reibungstechnik. Das Unternehmen entwickelt, produziert und vertreibt Brems- und Reibbeläge für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen, darunter die Antriebstechnik, der Maschinen- und Anlagenbau sowie die Robotik.
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